Strategisches Ziel des Hauses: Mit Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen auf Augenhöhe arbeiten
Im idyllischen südpfälzischen Klingenmünster liegt das Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie. Betritt man das Gelände, so hat man das Gefühl, in eine eigene kleine Welt einzutreten. Die große Parkanlage lässt für einen Moment vergessen, dass in den dort vorhandenen Häusern nur psychisch kranke Menschen untergebracht sind. Harmonie und Wärme strahlt die Inneneinrichtung der Häuser aus, keine Hektik, viel Ruhe spürt man bei den Menschen, die einem unterwegs begegnen. Karin Hurrle als Vorsitzende des Vereins „Förderung und Transparenz und Gerechtigkeit in der Rechtspflege e.V.“ (FTGR) hatte um ein Gespräch beim Geschäftsführer Paul Bomke gebeten. Sie hatte eine größere Wegstrecke zu bewältigen, bis sie in dem riesengroßen Areal sein Büro fand. Die Vorsitzende wurde sehr freundlich empfangen. Der Geschäftsführer und die zuständige Chefärztin hatten sich viel Zeit genommen, um über die Arbeit im Pfalzklinikum zu informieren. Karin Hurrle konnte nach fast zwei Stunden Informationsaustausch viele Eindrücke mit nach Hause nehmen.
Paul Bomke, der noch nicht lange die Geschäftsführung des Pfalzklinikums übernommen hatte, hat klare strategische Ziele. Er will mit Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen auf Augenhöhe arbeiten. Nicht immer sei es leicht, wenn Psychiatrieerfahrene und ihre Angehörigen mit Vertretern von Institutionen über moderne Psychiatrie diskutierten, weiß der Geschäftsführer. „Da schlagen die Emotionen manchmal ziemlich hoch“. Er danke daher allen professionellen und ehrenamtlichen Experten, die sich im Bereich der Psychiatrie engagierten.
Bei den gegenseitigen Informationen kam es auch zwangsläufig zur Frage der „Zwangspsychiatrisierung“, worüber man sich umfassend austauschte. Auch der Fall „Gustl Mollath“ war Thema, der immer noch hohe Wellen schlägt. Das Personal im Pfalzklinikum verstehe sich als Dienstleister für seelische Gesundheit, erklärte Paul Bomke. Daher gehöre zum konstruktiven Miteinander aller an der Entwicklung von Angeboten der seelischen Gesundheit Beteiligten auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Zwang, wie z.B. Fixierungen. Da derzeit die Novellierung des Maßregelvollzugsgesetzes für Rheinland-Pfalz und des Landesgesetzes für psychisch kranke Personen (PsychKG) in der Umsetzungsphase sei, seien auch die Experten des Pfalzklinikums um ihre Stellungnahme gebeten worden, informierte der Geschäftsführer. Und hier habe sich das Pfalzklinikum übereinstimmend dafür ausgesprochen, das Interesse der Betroffenen zu stärken, wobei Zwangsmaßnahmen ausschließlich als letztes Mittel einzusetzen sind.
Insofern sei das Pfalzklinikum im Trialog. Dies bedeute, dass Psychiatrieerfahrene und Angehörige gemeinsam mit Professionellen über die Weiterentwicklung des psychiatrischen Angebotes diskutieren, wie die Beteiligung der Betroffenen gestärkt werden könne, so Bomke weiter. Es werde bereits in den beiden Gremien trialogisch gearbeitet und auch viel geplant. Auch seien schon viele Aktionen in der praktischen Umsetzung, wie z.B. ein Stammtisch in der Nordwestpfalz, Psychoseseminare im Süden und im Nordwesten, trialogisches Angehörigentraining und themenbezogene trialogische Angehörigengruppen. Im Mai 2014 ist sogar der zweite trialogische Workshop bereits etabliert. Außerdem arbeitet das Pfalzklinikum in der Gemeindepsychiatrie mit den Bewohnerbeiräten dauerhaft an vielen Themen zusammen.
Der Geschäftsführer verweist bei dieser Gelegenheit auch auf das Ethikkomitee und den Ausschuss für Gedenkarbeit, die trialogisch arbeiteten. Denn wie wertvoll Erfahrungen aus der Vergangenheit sind, zeige die Wanderausstellung „NS-Psychiatrie in der Pfalz“, die 2013 in Speyer, Kaiserslautern, Bad Dürkheim und Pirmasens gezeigt worden sei. Dass großes Interesse an der Thematik bestehe, habe auch die Eröffnung einer weiteren Gedenkstätte in Neustadt zum Thema „Die Pfalz im Nationalsozialismus“ gezeigt. Denn es mache deutlich, wie wichtig die Erinnerungsarbeit in der Gegenwart und auch künftig sei, so der Geschäftsführer weiter.
Auch im südpfälzischen Psychiatriebeirat nehme die Debatte zur Weiterentwicklung des trialogischen Gedankens Fahrt auf. Die Frage, wie eine unabhängige Beschwerdestelle für Psychiatrieerfahrene in der Pfalz eingerichtet werden kann, werde ebenso breit diskutiert, wie die zu erwartenden Konsequenzen aus dem geplanten neuen Finanzierungssystem in der Psychiatrie. In der Nordwest- und Südpfalz seien weitere Projekte und Angebote – wie etwa der Trialogische Stammtisch, der Ausbau der Selbsthilfe und trialogische Psychose-Seminare – in Vorbereitung und Planung.
Zum Schluss des Gespräches bedankte sich die Vorsitzende des FTGR e.V. noch einmal für den freundlichen Empfang und die sehr interessanten und ausführlichen Informationen. Man versprach sich, miteinander in Kontakt zu bleiben. (kh)
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